von jtek » 08.08.2022, 11:50
Da ich mich ebenfalls mit dem Fahrwerk meiner K67 rum geärgert habe, will ich auf die anfangs gestellte Frage zum Einstellen des Fahrwerks zurückkommen.
Bei meine S1000RR mit DDC-Fahrwerk gab es hinten das Problem, dass der Negativfederweg viel zu gering war. Der Hinweis auf das DDC-Federbein ist hier wichtig, da es baulich etwas anders ist, als das „normale“ Federbein. Das normale Federbein hat eine große Mutter zur Einstellung der Federvorspannung, das DDC-Federbein ein Umlenkgetriebe das eine Bauhöhe von ca. 20 mm hat. Dadurch kann beim DDC-Fahrwerk die Federvorspannung nicht so weit zurück genommen werden, wie bei einem normalen Federbein.
Ist die Feder im DDC-Fahrwerk so weit wie möglich entspannt, waren es bei meinen fahrfertigen 86 kg ganze 18 mm Negativfederweg. Viel zu wenig für eine ordentliche Führung der Hinterhand. Inzwischen muss sich was gesetzt haben, es sind jetzt 28mm. Aber immer noch einiges zu wenig.
Da hier viel diskutiert wurde erst einmal einige Grundlagen in Sachen Fahrwerk. Es gibt drei Bereiche beim Motorradfahrwerk.
Geometrie:
Hierzu gehört alles vom Lenkkopfwinkel über Nachlauf und Radstand bis zur Gewichtsverteilung. An dieser Stelle würde ich erst einmal die Finger weg lassen, die Hersteller wissen verdammt gut, was sie da tun.
Federung:
Ein Fahrwerk braucht aus der Erfahrung heraus einen Negativfederweg von ca. 30 % – 33 % des Federweges, je nach Einsatzgebiet und auch persönlicher Vorliebe. Da die meisten Supersportler um die 120 mm Federweg haben, geistern die 40mm Negativfederweg durch das Internet. Die S1000RR / K67 hat hinten 117mm X 30 % = 35,1 mm… und siehe da, BMW gibt 35mm +/- 2mm als Richtwert an. Für den Hausgebrauch lässt sich ein Fahrwerk durchaus mit der Federvorspannung auf unterschiedliche Fahrergewichte einstellen. Sollte ein Fahrer allerdings extrem leicht oder schwer sein, sind andere Federn erforderlich. Andernfalls stimmt dann zwar der Negativfederweg, aber der Federweg wird nicht mehr genutzt, oder das Federbein / die Gabel schlagen bei Belastung (Bodenwelle oder Bremsen auf dem Vorderrad) durch weil die restliche zur Verfügung stehende Kraft der Federn nicht mehr ausreicht, das zusätzliche Gewicht zu tragen und einen gewissen Restfederweg zu erhalten.
Dämpfung:
Die Dämpfung soll „Überreaktionen“ der Räder einfangen und dafür sorgen, dass diese möglichst immer mit der maximal möglichen Kraft an den Boden gedrückt werden. Ich bin mal neben einer Ente mit komplett kaputtem Stoßdämpfer an einem Hinterrad hergefahren. Schon ein Kanaldecke hat dazu geführt, dass das Rad mehrere Male so gesprungen ist, dass es komplett in der Luft war. Wie soll ein so „gedämpftes“ Rad Kräfte vom Fahrzeug auf den Boden übertragen? Vergleichbares gilt beim harten Bremsen. Eine ungedämpfte Gabel würd so viel Schwung holen, dass sie erst mal auf Block geht und sich nach mehrmaligem Nachschwingen auf den zur Belastung passenden Federweg einpendelt. Viel Spaß damit.
Wie nun das Fahrwerk „einstellen“.
Eigentlich ganz einfach. Von der Geometrie erst einmal die Finger lassen.
Zuerst die Negativfederwege vorne und hinten einstellen. Braucht mind. 2 Leute, besser drei. Zuerst die Maschine so anheben, dass beide Räder frei in der Luft sind. Vorne den Abstand zwischen Gabelfuß und Holm messen und notieren. Hinten einen Zollstock direkt über der Achse im 90 Grad Winkel auf die Schwinge stellen und an passender Stelle an der Heckverkleidung eine Markierung anbringen. Wert notieren. Damit ist der Wert für „komplett ausgefedert“ ermittelt. Jetzt den Fahrer „fahrfertig“ machen, also komplett anziehen, und auf das Mopped setzten. Füße auf die Rasten und Fahrposition einnehmen. Tank ca. 50 % voll. Einer hält das Motorrad und der dritte misst die Federwege noch einmal. Mit den zuerst gemessenen Werten die aktuellen Negativfederwege ermitteln und die Vorspannung so anpassen, dass man bei den 30% des Federweges landet. Die immer wieder angegebenen und im ersten Beitrag genannten Werte des Negativfederweges für „nur Motorrad“ sind für den Hausgebrauch unwichtig und können ignoriert werden. Damit ist die Basis geschaffen, um sich der Abstimmung der Dämpfung zuzuwenden.
Nächster Schritt ist das „Erfahren“ der Dämpfereinstellung. Hier gilt von weich nach hart. Draufsetzten, eine bekannte Strecke fahren und fühlen, wie es einem gefällt. Ich gehe dann immer von „ganz weich“ gleich mal nach „Ganz hart“. Ergibt meist ein „ach ne“. So lange die gleiche Strecke fahren und die Dämpfereinstellung ändern, bis es für einen selbst passt.
Wer dann immer noch nicht ganz glücklich ist, kann anfangen, die Geometrie des Motorrades zu verändern. Aber Achtung, hier können kleine Änderungen große Effekte haben. Mal eben die Gabel 2 cm durchstecken kann fatale Folgen haben.
Zurück zu meinem Problem mit dem hinteren Negativfederweg des DDC-Federbeins. BMW hat darauf angesprochen eine sehr abwehrende Haltung eingenommen. Ich soll noch mal zum Händler gehen. Die werden wohl auch nichts anderes messen, als ich.
Daher habe ich mir jegliche weitere Diskussion mit BMW gespart und mir einen neuen Federteller gefertigt. Dieser sorgt dafür, dass die Einbaulänge der Feder im Federbein 8mm größer ist. Entsprechend ist die Vorspannung der Feder geringer. Da die Umlenkung die Feder um ca. 12mm vorspannen kann, habe ich jetzt hoffentlich einen für mich passenden Einstellbereich. Bin mal gespannt, wie sie das beim Fahren auswirkt.
Vielleicht hilft es ja dem Einen oder Anderen eine für sich passende Einstellung seines Fahrwerks zu finden.
Mehr Leistung erhöht meist nur den Grad der Überforderung.