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Il primo amore
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… non si sccorda mai – „Die erste Liebe vergisst man nicht“. Mir geht es da nicht anders. Sie war Italienerin und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich war 16 und sie 49... Kubik stark, versteht sich. Eine AF1 Replica aus dem Hause Aprilia. Jugendträume wurden wahr auch wenn rückwirkend betrachtet die Werkslackierung aus Rot, Fliederfarben und Grün eine Beleidigung für die Augen darstellte. Sie wurde mein ganzer Stolz und ein Römer namens Max Biaggi mein Idol, noch ehe ein Junge mit der Nummer 46 ihm den Rang ablaufen konnte.
Heute sehen wir uns wieder. Achtzehn Jahre sind vergangen. Wieder sitzt Max Biaggi auf einer Aprilia und fährt den Gegnern davon und dem Superbike-Weltmeistertitel entgegen. Anlässlich der großen rennsportlichen Erfolge hat Aprilia zum PowerDay an das LuK Driving-Center geladen, zur ersten Veranstaltung dieser Art.
Der Einladung von Peter Kollmer, Chef von Zweirad Knoderer in Lahr war ich gerne gefolgt, schließlich fieberte ich schon seit Präsentation der RSV4 einer Testfahrt entgegen. Ansgar Schauerte, der Pressemensch von Mutterkonzern Piaggio, führt mich und zwei weitere Kollegen zur eigens für uns reservierten Testmaschine. Da wir in unterschiedlichen Leistungsgruppen starten werden, sollten wir uns damit nicht in die Quere kommen. Doch Peter hält noch einen Überraschung für mich parat: Wenn ich wolle, könne ich auch gerne seinen Rennstreckenumbau testen, den er eigens für einen ehemaligen IDM-Piloten aufgebaut hat. Ich verzichte zunächst dankbar, denn noch steht keine Steckdose für die Reifenwärmer zur Verfügung und ich will nicht Gefahr laufen auf kalten Dunlop-Slicks das edle Teil in die badische Erde zu reiben.
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Also nehme ich mich in der ersten roten Gruppe der serienmäßigen RSV4R an. Dem günstigeren Ableger der zu Homologationszwecken 2009 eingeführten RSV4 Factory. Die „Erre“ verzichtet zwar auf Variationsmöglichkeiten an Lenkkopf, Schwingenaufnahme und Motorenlagerung, kann auch nicht auf variable Ansaugkanäle zurückgreifen, die mehr Leistungsfülle in hohen Drehzahlen servieren. Und hat auch keine leichten Schmiederäder. Sie federt mit Sachs bzw. Showa statt Öhlinskomponenten und trägt ein Kleid aus GFK anstelle edlem Carbon am athletischen Rahmen. All das macht in der Gesamtheit rund 8 Kilo Mehrgewicht, doch davon ist nichts zu spüren wenn man das Superbike bewegt.
[center]Doch gemach. Zunächst nähere ich mich der schönen Italienerin im Stand, umrunde sie als hätte wir uns lange nicht gesehen. Zaghaft mustere ich die Züge ihrer Verkleidung. Eine gedrungene Gestalt, fast schon einer GrandPrix-Maschine gleich, gehüllt in eine Kreation aus Plastik. Kein geringerer als der Monster-Designer Miguel Galuzzi hat diese Form geschaffen. Und sie betört, vom dreigeteilten Scheinwerfer vorne bis hin zum stylischen Heckbürzel. Alex Christensen muss für dieses Heck seinen Hit geschrieben haben – „Du hast den geilsten Arsch der Welt!“

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Vorsichtig nehme ich auf dem Pilotensitz platz. Für eine vergleichsweise kleine Maschine thront man recht hoch oben. Knapp 84cm und damit fast auf einer Linie mit den tiefen und perfekt gekröpften Lenkerstummeln. Die Sitzhaltung wird einem sofort vorgegeben – alle Sinne stehen auf Attacke. Dabei bleibt sich gleich, ob ein Rennzwerg ala Biaggi oder ein übergewichtiger Durchschnittsdeutscher wie ich Platz nimmt. Selbst 1,90 Männer dürften ihren Platz auf der Aprilia finden.
Völlige Reizüberflutung setzt mit dem Druck auf den Starterknopf ein. Nach etwas kurbeln setzt der Anlasser eine Geräuschkulisse frei, die im legalen Straßenmotorradbau ihres gleichen suchen dürfte. Dieses bassig-böse Bollern nimmt noch zu, sobald man den ersten Gang einlegt. Nun geben die Trickser aus Noale mittels gewiefter Auspuffklappentechnik das Rohr frei. Es kann los gehen.
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Unter der Anleitung der gewohnt routinierten Instruktoren des LuK Driving Center nehme ich gemeinsam mit den anderen Teilnehmern den Kurs in Angriff. Das Winkelwerk am Baden-Airpark ist unter Racern als „Micky-Mouse-Kurs“ verschrieen, doch Aprilia hat gut gewählt. Der kurvige Kurs bringt die Vorteile der Italienerin schnell zur Geltung. Im Gewusel des Infieldes, wenn es von tiefer Schräglage in noch tiefere Schräglage geht, spielt die RSV4 ihre Trümpfe voll aus. Wohl kein anderes Bike macht den Radienwechsel so einfach, nimmt Korrekturen so willig an und ist dabei so spurstabil. Gierig und präzise zugleich.
Dazu ein Motor der an Fahrbarkeit kaum zu toppen ist. Aus niederen Drehzahlen nimmt er ruckfrei Leistung auf, ab 7500 Umdrehungen feuert der 65Grad-V4 dann richtig bis knapp 14.000 und ebt erst ab 12.000 Rotationen etwas ab. Hier würde die Factory gegebenenfalls noch etwas Leistung rauskitzeln, aber das spielt hier wie draußen auf der Straße wohl kaum eine Rolle.
Dennoch greife ich im nächsten Turn gerne zur auf Renne gepimpte Knoderer-Factory, die neben dem erwähnten Öhlinsfahrwerk auch noch über Racing-Bremsbeläge verfügt, die aus der identischen Bremboanlage wie bei der RSV4R eine Verzögerungsmacht machen. Mittlerweile sind die Slicks von Fahrer Paul ordentlich vorgeheizt worden und das Gummi beißt sich mächtig in den griffigen Asphalt. Das Schwedengold an Gabel und Federbein tut sein übriges um mich in den absoluten Kurvenrausch zu heben. Zudem hat Peter Kollmer seine Maschine noch mit allerlei technischen Leckereien, wie einer voll einstellbaren Traktionskontrolle aus dem hauseigenen Corse-Programm ausgestattet. Nur das umgekehrte Schaltschema gibt mir beim Umstieg immer wieder zu denken, selbst trotz des ebenfalls vorhandenen Quickshifter. Von der knapp 21.000 Euro teuren Factory-Variante aus, brauchte es nicht mehr viel zum profitauglichen Einsatzgerät für die Rennstrecke. Die Einstellmöglichkeiten an allen Ecken und Enden sind bester WM-Standard.
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Doch auch die RSV für den Hausgebrauch, die rund fünf große Scheine günstigere „Erre“ hat es in sich. Zwar sind die Brembos aufgrund der Straßenbeläge vergleichsweise zahm und das Fahrwerk in letzter Instanz etwas weicher, doch das tut ihren Handlingsfähigkeiten keinen Abbruch. Und dann noch dieser Motor, dessen Sound mir immer wieder den Atem raubt. Zur Hölle, wie haben die Italiener dafür eine Zulassung bekommen?!
Drei Mappings sind zu wählen. Steht „T“ im Display ist der „Track“-Modus aufgerufen. Ebenso wie im Sportmodus „S“ werden hier rund 180 Pferde frei gelassen. Nur während es das Drive-by-Wire im „S“anften Modus gnädig mit einem meint und das Drehmoment in den ersten drei Gängen zurück nimmt, greift das große T regelmäßig in die Vollen. Selbst unter der beherrschten Anleitung der Instruktoren schaffen es so drei glühende Reiter über den Tag verteilt ihre Testmaschinen zu erden. Der günstigen Teilnahmegebühr von 99 Euro all-inclusive (Spottpreis!) wird in diesem Fall der Brezel-Bonus bis zu einem Selbstbehalt von 2.500 Euronen hinzu gebucht.
Nun, wenn das mächtige Drehmoment des V4 kurvenausgangs auf die Walze geschwemmt wird, sollte man nicht mit der Feinmotorik eines Steinhebers agieren. Diese Lektion lernen die Bruchpiloten auf die harte Tour und die Aprilianer tippen schnell an allen Maschinen den moderaten Sportmodus ein, um den Schaden in Grenzen zu halten. Auch so hat man noch seine wahre Freude, wenn man den V4 antraben lässt. Hart beschleunigt hebt die schöne Italienerin immer wieder ihr schickes Köpfchen gen Himmel. Am Ende der langen Gerade kommt man so mit 220 km/h am Bremspunkt an. Voll in die Eisen und zwei bis drei Gänge runter, bevor man ins Kurvengeschlängel eintaucht. Die Anti-Hopping-Kupplung unterbindet Hinterradstempel vollständig, doch das Heck wird leicht und fängt an zu schwenzeln. Sucht man das Haar in der Suppe würde man hier fündig oder im harten Lastwechsel, den der V4 beim Gasanlegen zeigt. Doch das ist meckern auf höchstem Niveau. Eigentlich gibt es an der RSV4 nichts auszusetzen.
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Wer regelmäßig meine Fahrberichte ließt, dürfte eh schon zu dem Schluß gekommen sein, dass ich mich bei jedem Test in die aktuelle Maschine verliebt habe. Da ist sicherlich was wahres dran. Doch es lässt sich auch leicht erklären. Zum einen sind käufliche Superbikes heute auf einem Stand, der vor wenigen Jahren noch dem Grand Prix-Sport vorbehalten war und zum anderen ist die Zeit zu knapp, um schlechte Motorräder zu fahren. Ja, ich verliebe mich mit jeder Maschine neu. Nur was, wenn man seiner ersten Liebe begegnet? Dabei habe ich mich doch vor wenigen Monaten der Rasenden Resie aus Bayern versprochen...
Es ist etwas Magisches zwischen den Eisen aus Noale und mir. Sie lässt mich einfach nicht los. Abends in meinem Bett spüre ich immernoch die Vibrationen in mir. Mein Puls beschleunigt im Takt des V4. Als ich am nächsten Morgen erwache fahre ich direkt nach Straubenhardt zu Peuker&Streeb. Hendryk Peuker hat eine RSV4 Factory als Vorführer im Geschäft stehen und für dieses Wochenende die rote Tafel für mich montiert. Auf kurvigen Schwarzwaldstraßen will ich sehen, ob die Italienerin und ich auch im Alltag glücklich werden können.
Von der ersten Kurbelwellenumdrehung ist Verlangen wieder da. Dieses „Ich will dich!“-Gefühl. Klar, sie hat nicht viel übrig für das Leben mit Halbgas. Ihre Welt ist der freie Auslauf auf der Rennstrecke. Aber sie gibt auch auf der Landstraße eine souveräne Figur ab. Da kann man auch gerne mal einen Gang zu hoch aus der Kurve feuern, untermalt vom immer wieder orgiastischen Brüllen aus dem Auspufftrichter. Wo man mit der RSV auftaucht drehen sich die Leute nach einem um. Es ist der selbe Effekt, wie wenn man mit der schönsten Frau des Abends irgendwo auftaucht. Die Blicke gehören dir. So etwas fördert den Besitzstolz und wenn man am Abend die Designerware in der Tiefgarage parkt, muss man sich zwanghaft nochmal ihr zuwenden, ihr nochmal zulächeln. „Ja, du gehörst mir.“
Doch unser Glück ist nicht von langer Dauer. Die Zeit läuft ab und schweren Herzens bringe ich die Maschine nach wenigen Tagen wieder nach Straubenhardt zurück. Hendryk erwartet mich schon auf dem Hof. Es braucht nicht viele Worte. Was könnte ich im schon sagen. Er ist routinierter Rennfahrer, in Ehren ergraut und gehört immernoch zu den Schnellen seiner Zunft. Mit seinem Kumpel Rainer Kopp hat er auf einer Serien-Factory bei den „1000km von Hockenheim“ dieses Jahr einen neunten Platz eingefahren.
Irgendwie fällt auf, dass die Apriliahändler in unserer Region allesamt selbst eine RSV4 auf der Renne bewegen. Man kann sich also in guten Händen wissen, wenn man sich eine Aprilia für den Motorsport zulegt. Egal ob Zweirad Knoderer in Lahr oder Peuker und Streeb in Straubenhardt, hier ist Racer gut aufgehoben. Genauso wie Aprilia mit technischem Support und Ersatzteilen mittlerweile erstklassig aufgestellt ist.
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Die Liebe ist ein seltsames Spiel, wusste schon Connie Francis. Wie werde ich mich entscheiden. In diesem Jahr spitzt sich diese Frage auf zwei europäische Bikes zu: Aprilia vs. BMW. Wo die Bayerische mit perfekten elektronischen Helfern glänzt, steckt die Italienerin voller Emotion. Das kann die Weissblaue nicht bieten.
Keine Frage – die S1000RR würde mich schneller machen, aber macht mich die RSV4 am Ende nicht vielleicht glücklicher???[left]