von Kurt » 26.08.2015, 12:54
Nach einem Verkehrsunfall stellt sich häufig die Frage, ob ein Totalschaden vorliegt oder ob eine Reparatur noch in Betracht kommt. Ein Totalschaden ist ein Sachschaden, der technisch nicht mehr behoben werden kann bzw. bei dem sich eine Instandsetzung wirtschaftlich nicht lohnt. Derartige Schäden treten häufig an Fahrzeugen auf, die in schwere Unfälle verwickelt worden sind.
Zur Frage: Wann liegt Totalschaden vor? gilt der Grundsatz: Ein Kraftfahrzeug (z.B. Auto) ist dann totalbeschädigt, wenn die Reparaturkosten die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert übersteigen. Das kann im Einzelfall auch vorliegen, wenn das Fahrzeug noch verkehrsfähig sein sollte.
TECHNISCHER UND WIRTSCHAFTLICHER TOTALSCHADEN
Bei einem technischen Totalschaden durchaus noch fahrfähig sein. Die Reparatur lohnt sich aber ggf. wirtschaftlich nicht mehr, weil der Wert des Fahrzeugs (Auto) nicht mehr im Verhältnis zu den Reparaturkosten steht. Man spricht dann von einem wirtschaftlichen Totalschaden. Als Folge muss die Autoversicherung dann dem Versicherungsnehmer nicht die Kosten für die Reparatur erstatten, sondern nur noch die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert. Einzige Ausnahme bei Kraftfahrzeugen: Der Versicherungsnehmer lässt die Reparatur tatsächlich durchführen und sie kostet nicht mehr als 130% des Wiederbeschaffungswertes. Diese Ausnahme geht zurück auf das BGH-Urteil vom 15. 2. 2005 - VI ZR 70/04 mit dem Leitsatz: "Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat."
Allgemein gilt die folgende Definition und Unterscheidung bei einem Totalschaden an einem Kraftfahrzeug:
Ein technischer Totalschaden ist an einem Fahrzeug gegeben, wenn die Beschädigung derartig erheblich sind, dass eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes nicht mehr möglich ist oder einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde.
Ein wirtschaftlicher Totalschaden an einem Fahrzeug liegt vor, wenn die entsprechenden Reparaturkosten höher sind, als der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Dies gilt in der Regel auch schon, wenn die Reparaturkosten die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert übersteigen.
WIEDERBESCHAFFUNGSWERT UND RESTWERT
Um einen wirtschaftlichen Totalschaden "diagnostizieren" zu können, ist daher die Prüfung der Höhe des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes erforderlich. Unser Autor, Herr Rechtsanwalt G. Kaßing, München hat hierzu folgende Meinung:
Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, den Sie aufwenden müssen, um sich ein Fahrzeug von dem Wert zu kaufen, den Ihr "Alter" im Unfallzeitpunkt hatte.Er setzt sich zusammen aus dem Zeitwert Ihres alten Fahrzeug plus einem Händlerzuschlag (dem Gewinn also, den ein Gebrauchtwagenhändler durchschnittlich machen würde, würde er Ihnen einen gleichwertigen " Gebrauchten" verkaufen).
Der Wiederbeschaffungswert ist nach örtlichen Gegebenheiten zu ermitteln. Es reicht nicht, ihn einfach nur aus der "Schwacke-Liste" zu entnehmen, weil diese Liste örtliche Besonderheiten nicht berücksichtigt; häufig bietet sie aber ganz gute Anhaltspunkte. Hatten Sie den Wagen vor dem Unfall bereits - zu einem höheren Preis als dem marktüblichen Wiederbeschaffungswert - verkauft, so ist der Verkaufspreis als Wiederbeschaffungswert zugrundezulegen.
In welcher Höhe ist ein Restwerterlös anzurechnen?
Wenn Sie einen Sachverständigen mit der Schadensschätzung beauftragt haben, sind Sie grundsätzlich berechtigt, den von ihm geschätzten Restwert anzusetzen (BGH DAR 93, 251 = VersR 93, 769 = NJW 93, 1849). Von diesem von Ihrem Gutachter geschätzten Wert müssen Sie die Versicherung nicht einmal vor dem Verkauf der Fahrzeugreste informieren, damit diese eventuell ein besseres Angebot machen kann (BGH aaO.) Auf höhere Angebote spezieller Restwertaufkäufer (so genanntes "Mondpreisangebote" brauchen Sie sich nicht verweisen zu lassen (BGH aaO.).
Erzielen Sie jedoch ohne große Mühe beim Verkauf Ihres Altfahrzeugs einen besseren Betrag als den von Ihrem Sachverständigen geschätzten, kann die Versicherung diesen Wert in Abzug bringen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn Sie die Fahrzeugreste für ein Ersatzfahrzeug in Zahlung geben und Ihnen der Händler für die Reste mehr bietet als den vom Gutachter geschätzten Betrag. Denn dadurch erzielen Sie nicht einen besseren Restwert sondern einen versteckten Rabatt auf den Preis für das Ersatzfahrzeug, und dieser Rabatt darf der gegnerischen Versicherung natürlich nicht zugute kommen (OLG Köln, NZV 94, 24).
Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens, darf die Versicherung das totalbeschädigte Fahrzeug durch einen Sachverständigen ihrer Wahl nachbesichtigen lassen (BGH VersR 84, 79 = zfs 84, 83).
Kein Totalschaden bei hohem Restwert
In einer zwar bekannten, aber unter diesem Gesichtspunkt wenig gelesenen Entscheidung hatte der BGH (NJW 1985, S 2469, 2470) festgestellt, dass der Geschädigte nur dann auf die Abrechnung auf Totalschadenbasis verwiesen werden darf, wenn "der Restwert den Schrottwert erreicht oder diesen bei Außerachtlassung von Interessenten, die beim Kauf eines Unfallwagens Reparaturkosten und Minderwert aus besonderen Gründen niedriger kalkulieren, erreichen würde".
Beispiel: Wenn Ihr funkelnagelneues Cabrio einen Schaden von Euro 3.000 und einen Wiederbeschaffungswert von Euro 60.000 hat, darf die Versicherung nicht hergehen und unter Berücksichtigung eines Restwertangebotes eines Sonderaufkäufers von Euro 58.000 die Sache als Totalschaden mit Euro 2.000 abrechnen, um sich damit Euro 1.000 Reparaturkosten zu sparen
Hoffe das hilft
Kurt
Es ist egal welche Farbe eine BMW hat, es muss nur eine BMW sein